Eine unordentliche Familie by Lise Gast

Eine unordentliche Familie by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-20T23:00:00+00:00


* * *

In der Nacht wurden die von der Fuchsfarm von einem Ruf geweckt, den die Menschen auf dem Lande am meisten fürchten – von dem Ruf »Feuer, Feuer!« Es war Michael, der schrie.

Alle waren sofort hellwach. Sie rannten dem Ruf nach – er kam vom Ende der Fuchsfarm, das dem Wald zugewandt lag –, und da sahen sie, daß das letzte Gelaß, das von Väterchen Kolja, in Flammen stand.

Was tun? Die Feuerwehr rufen! Welche Nummer hatte die Feuerwehr? Oder zu löschen versuchen? Oder beides –

»Rike, renn und ruf an«, schrie Anne im Vorüberlaufen. Michael, der alles geweckt hatte, war bereits dabei zu handeln. Er war zur neuen Quelle gerannt, für die er vor ein paar Tagen ein etwa ein Meter im Geviert messendes Loch ausgehoben hatte, in dem das Wasser stand. Hätte man aus der Leitung gezapft, so wäre es nicht reichlich geflossen. Aber aus diesem Loch konnte man schöpfen. Er hatte bereits zwei Eimer in den Händen und lief damit zur Brandstelle. Zum Glück widerstand er der Versuchung, das Wasser in hohem Bogen in die Flammen zu schütten, sondern bekämpfte das Feuer von unten her. Auch Gina lief zum Wohnhaus zurück und kam mit einigen Eimern an. Damit konnte man regelmäßig schöpfen und eine Eimerkette bilden. Michael und Gunnar standen am Brandherd und gössen, die Mädchen reichten ihnen zu, auch Ulrike arbeitete mit. Sehr bald hörte man das »Tatü-Tatü!« der Feuerwehr.

»Du lieber Himmel, gut, daß die gekommen sind«, seufzte Anne, als der Spuk vorüber war. Erst jetzt wurden sich die Bewohner der Farm darüber klar, in welcher Gefahr ihr Anwesen gestanden hatte. Das letzte Gelaß des Gebäudes, Väterchen Koljas, war ausgebrannt; das daran anschließende, in dem Michael wohnte, war jedoch verschont geblieben und mit ihm die ganze folgende Reihe.

»Nun, wir leben«, sagte Gunnar, eher ironisch als glücklich. Er übersah das Ganze sofort. Natürlich war es ein Glück, daß man die Ausbreitung des Feuers hatte vermeiden können. Daß es aber ausgerechnet Väterchen Kolja treffen mußte! Nun war in seiner Abwesenheit seine neue kleine Heimat zerstört worden, während er die alte wiedersah ...

Es war schon schlimm. Sie saßen beieinander, keiner ging schlafen. Gina hatte Kaffee gekocht. Man mußte Brandwache halten, und es wäre keinem von ihnen eingefallen, jetzt schlafen zu gehen. Erstens saß einem der Schreck noch in den Gliedern, und dann war man ja auch so unendlich dankbar, daß es nicht schlimmer gekommen war.

»Wir wären alle obdachlos, kein Nachbar da, und wer nähme uns schon auf«, sagte Merle in schöner Selbsterkenntnis. »Wenn man das Bein bricht, muß man jubeln: Hurra, nicht das Genick! Ich tät’ es auch wahrhaftig. Nur: unser armes Väterchen!«

Die andern nickten trübe.

»Ich zieh’ aus. Väterchen kriegt mein Zimmer«, erbot sich Michael. »Wir richten es ihm ein wie seins. Ich kann gut im Heu schlafen.« Hinter dem Haus gab es einen kleinen Heustadel. Merle lächelte gerührt.

»Und woher nehmen wir die Ikone, die er so liebte?« fragte Gina. »Wie kann das überhaupt gekommen sein? Kurzschluß? Oder was?«

Ach, man mutmaßte vergebens. Gunnar förderte später eine Flasche Schnaps zutage. Sie ging reihum, auch die Mädchen genierten sich nicht mitzutrinken.



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